Sonntag, 20. September 2015

Robert Louis Stevenson - "Dr Jekyll & Mr. Hyde" (bzw. vier Erzählungen)



Über den Autor:
Robert Louis Stevenson wird 1850 in Edinburgh (Schottland) geboren und leidet sein Leben lang an der Lungenkrankheit Tuberkulose.
Sein Vater erlaubt ihm nur unter einer Bedingung Schriftsteller zu werden: er soll erst ein Ausbildung absolvieren. Also schließt Stevenson 1875 sein Studium als Rechtsanwalt ab, arbeitet aber nie in diesem Beruf.
In Paris lernt er die zehn Jahre ältere und verheiratete Amerikanerin Fanny Osbourne kennen. Die Beiden verlieben sich ineinander, es braucht aber noch Jahre bis Fanny dazu bereit ist, sich von ihrem vagabundierenden Ehemann scheiden zu lassen und Stevenson zu heiraten (1880).
Zu seinen bekanntesten Werken gehören "Die Schatzinsel" (1883) und "Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde" (1886).
Stevenson zieht später mit seinem "Clan" auf die Insel Samoa, wo er 1894 an den Folgen seiner Krankheit stirbt.
(Quelle: wikipedia)

Inhalt/Über das Buch:
Es handelt sich hierbei um einen Sammelband über vier Erzählungen von Robert Louis Stevenson.

Meinung zu den einzelnen Erzählungen:

"Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde"
(Orig. 1886, 107 Seiten)

Die Geschichte ist mir natürlich schon vor dem Lesen bekannt gewesen, aber dennoch bin ich überrascht von der Tiefe der Novelle.

Zunächst wird ein Blick auf die Geschichte von Dr. Jekyll und Mr. Hyde von außen geworfen - der befreundete Anwalt, Gabriel John Utterson, ist hierbei Haupt-"Erzähler". Erst später wird der Abgrund von Dr. Jekylls Seele noch deutlicher, als man seinen eigenen Bericht liest.
Es handelt sich für mich um ein erschreckendes Gedankenspiel, was Stevenson beschreibt: was wäre, wenn man der dunklen Seiten seiner selbst freien Lauf lassen würde/könnte? Wie würde man handeln, was würde man empfinden? Würde man tatsächlich süchtig danach werden, diesen ungehemmten Trieben nachzugeben? So, wie Stevenson es erzählt, ist es durchaus nachvollziehbar, warum Hyde immer wieder zum Vorschein kommt - das ist aus meiner Sicht die besondere Leistung des Autors - man versteht den Wandel, kann ihn sogar nachempfinden und ist dann auch nicht geschockt von den Verbrechen, die Mr. Hyde begeht. Als würde es alles entschuldigen, dass er gerade in seiner Ur-bösen Form gehandelt hat.

Eine weitere Charakterstudie die Stevenson auf Papier bringt. Schauerlich vor Allem, weil man es so gut nachvollziehen kann und sich vielleicht sogar ein bisschen danach sehnt, sich manchmal selbst gehen zu lassen...?

"Der Leichenräuber"
(Orig. 1884, Erzählung/Horror, 33 Seiten)

Es handelt sich hierbei um eine Schauer-Erzählung. Tatsächlich bin ich vom Ausgang der Geschichte regelrecht überrascht.

Der ehemalige Medizinstudent trifft seinen alten Kommilitonen wieder und berichtet seinen Freunden von den Gräueltaten die er in der Vergangenheit geduldet hat. Hat er doch immer die Leichname entgegengenommen, die zum sezieren vorgesehen waren. Bis er eines Tages realisiert, dass die Menschen zum Verkauf ihrer Körper teilweise auch ermordet wurden. Aber sein "Partner" hat ihn voll im Griff und er kommt aus der Sache nicht mehr raus.
Eine schaurige Wendung zum Schluss kategorisiert diese Erzählung als Horrorgeschichte ein.

Wieder geht es um moralische Themen und dieses Mal auch um dem Kampf mit dem eigenen Gewissen. Umso erstaunlicher die Auflösung. Eine interessante kurze Erzählung.

"Olalla"
(Orig. 1885, Erzählung, 70 Seiten)

Hierbei muss ich einiges vom Inhalt preisgeben: Ein verwundeter Offizier kuriert sich in den spanischen Bergen aus. Das alte Herrenhaus, in dem er eine Unterkunft findet, wird von einer seltsamen Familie bewohnt. Er verliebt sich unsterblich in die Tochter des Hauses, wird jedoch bald von ihr weggeschickt. Aufgrund der Reaktion der Dorfbewohner beginnt er zu verstehen, dass das wohl das Beste für ihn und die Bewohner des Herrenhauses ist.

Das interessante der Geschichte sind die Gedanken die sich der Offizier zu den Familienmitgliedern macht. Da er jede Person einzeln und nacheinander kennen lernt, ergibt er sich in Rätsel raten rund um deren Verhalten und Hintergründe. Hier lebt der Autor wieder auf und bildet intensive Charakterstudien, die aber dennoch nicht langweilig werden. Als Leser beginnt man immer mehr zu erwarten, dass etwas mit den Leuten nicht ganz stimmt.
Hier hätte das Ende etwas dramatischer ausfallen können, aber die Erzählung überzeugt mich trotzdem sehr. Sehr interessant geschrieben.

"Markheim"
(1886, Erzählung, 30 Seiten)

Markheim ist ein Mörder. Als er den Laden des Händlers ausraubt, den er eben ermordet hat, beginnt er einen inneren Monolog der zu nächst von Wahnvorstellungen geprägt ist. Als er auch die Wohnung des Toten durchsucht, fängt er an, sein Handeln zu hinterfragen und sieht sich plötzlich dem Todesengel gegenüberstehen.
Wieder eine sehr intensive Charakterstudie, die Stevenson hier niedergeschrieben hat. Die Erzählung ist eher eine Kurzgeschichte und hat dementsprechende Wirkung auf den Leser - man ist gefesselt von den Niederungen in Markheims Geist. Aus meiner Sicht sehr gut umgesetzt.

Fazit:
Eine interessante kleine Sammlung von teilweise schaurigen Erzählungen. Wirklich lesenswert, besonders natürlich der Klassiker "Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde".

Zitat:
Er war klein, wie ich schon sagte. Was mir im übrigen auffiel, war sein abstoßender Gesichtsausdruck, die merkwürdige Verbindung von Behendigkeit und augenscheinlich schwacher Konstitution und endlich die eigenartige subjektive Beunruhigung, die seine Nähe auslöste. Sie hatte einige Ähnlichkeit mit einsetzendem Schüttelfrost und war begleitet mit einem merklichen Absinken des Pulsschlags. [...]
(Seite 82, aus "Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde", Dr. Lanyon über Mr. Hyde)

Autor:Robert Louis Stevenson
Kategorie:Novelle, Erzählungen, Kurzgeschichten
Erstveröffentl.:1884-1886
Ausgabe von:2001
Seiten:258
Verlag:Bastei Lübbe
ISBN:3-404-25685-9

Bewertung (max. 5 Pkt.)
Stil:5
Handlung:3
Charaktere:5
Spannung:3
Humor:2
Fantasie:3
Gesamteindruck:3-4

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